Moritur in
Deo.
Ölgemälde
von Bruno Piglhein.
Illustrierte Zeitung“, No. 1972 vom 16.April 1881
Es liegt eine wunderbar
tiefe Symbolik in den Ostern der nördlich gelegenen Länder:
„Vom Eise
befreit sind Strom und Bäche
Durch des
Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale
grünet Hoffnungsglück:
Der alte
Winter in seiner Schwäche
Zog sich
in raue Berge zurück.“
In
den Tagen, in welchen die Natur, aus den Banden des Winters erlöst, zu neuem
Leben erwacht, feiert die christliche Kirche das Gedächtnis? An die sittliche
Befreiung des Menschen von der Sünde über den Willen durch den freiwilligen
Kreuzestod des Gottessohnes.
Es schien nichts näher gelegen, als dass die christliche
Kunst sich zunächst eines Stoffs bemächtigen würde, der ihr gestattete, das
große Geheimnis der Erlösung mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln zum
Ausdruck zu bringen. Wenn das gleichwohl drei Jahrhunderte hindurch nicht
geschah, so hatte es seinen Grund zunächst darin, dass die Kirche der ältesten
Zeit jeder Verbildlichung der Gottheit abgeneigt war, und dass sie den
Künstlern die bildliche Darstellung Christi gleich von vornherein verleidete,
indem sich, auf einige Stellen des Alten Testaments gestützt, bemühte, selben
nur in Knechtsgestalt und hässlich aufzufassen. Die Folge davon war, dass man
sich begnügen musste, gewisse Figuren als Sinnbild des Gottmenschen gelten zu
lassen. Aber bald genügten diese dem Bedürfnis nach sichtbarer Darstellung
nicht mehr, und es erscheint Christus in der Gestalt des guten Hirten
abgebildet, und zwar in ganz antiker Auffassung, welcher das Hässliche
widerstrebte.
Um diese Zeit, insbesondere nach der Konstantin gewordenen
Kreuzerscheinung, begann man dem Symbol des Kreuzes überhaupt eine größere
Bedeutung beizulegen und dasselbe, bald ohne, bald mit dem Bildnis des
Gekreuzigten zu malen oder plastisch darzustellen, wie denn schon Konstantin
Kreuze öffentlich aufstellen ließ und ein solches in seine Kriegsfahne aufnahm.
Große Schwierigkeiten erwuchsen der Kunst bezüglich der Darstellung Christi
überhaupt und des gekreuzigten insbesondere, als man begann, in ihm den
Gottmenschen zu sehen; denn war sie auch im Stande, die menschliche Seite
darzustellen, so schien doch die göttliche undarstellbar. Vielfache Störungen
brachte die Zeit der Bilderstürme des 8. und 9. und der Reformation des 16.
Jahrhunderts.
Zu allen Zeiten und bei allen Völkern suchte die bildende
Kunst der großen Aufgabe gerecht zu werden, die in der Darstellung desjenigen
Moments liegt, welche das Erlösungswerk abschließt, und es gibt kaum einen
großen Meister, der sich darin nicht versuchte.
Und das tat, trotz des starken realistischen Zugs, der die
heutige Kunst beherrscht, auch unser Künstler, und zwar in einer Weise, der zum
mindesten Mangel an Neuheit der Auffassung nicht vorgeworfen werden kann. Er
zeigt uns Christus an dem Kreuz erhöht, von Licht umwoben, das von oben aus
dunkeln Gewölk bricht und den für seine große Idee sich Opfernden geheimnisvoll
umflutet. In dem Augenblick, da Leib und Seele sich scheiden, ist ein Engel vom
Himmel herabgeschwebt und drückt, vornübergebeugt, einen letzten Kuss auf die
Stirn des Sterbenden, der nun sein großes Erlösungswerk vollendet hat.
Idealisten und Realisten haben in dem Bilde mit den lebensgroßen Figuren Anlass
zu Bedenken gefunden. Jenen erschien die Behandlung zu realistisch; diese
konnten sich wiederum mit der idealen Erscheinung eines Engels nicht
befreunden. Gleichwohl scheinen jene übersehen zu haben, dass, was einmal
realiter in das Gebiet des Sichtbaren tritt, auch realiter dargestellt werden
darf; diese, dass der ideale Gegenstand auch eine ideale Auffassung forderte.
Bruno Piglhein ist 1848 in Hamburg geboren,
protestantischer Konfession (nicht Israelit, wie gesagt wurde), widmete sich in
Dresden unter Schilling der plastischen Kunst, ging dann in Weimar zur Malerei
und bildete sich hierauf in München ohne Lehrer weiter darin aus. Größere
Arbeiten von ihm besitzen unter anderen Baron Heinrich von Ohlendorff in
Hamburg, Bankier W. Behrens ebendort. – Unserm Holzschnitt ist die Aumüller
erschienene Radierung Wilhelm Hecht’s, des geachteten Münchener Xylographen,
der in der letzten Zeit zur Nadel griff, zu Grunde gelegt.
Karl
Albert Regnet.